Schönheit und Recht

Peter Saladin, Schönheit und Recht, in: Die Wirklichkeit des Einhorns – Geschich­ten, Bern: Stämpfli, 1997, pp. 11-27.

Saladin Schönheit und Recht

Introduction/Historical Situation and Systematic Context

In our promotion thesis, under the auspices of Peter Saladin, we have undertaken to explain the dissolution of the traditional dogma of sovereignty into a rich set of axiomatic fundamental structures for jurisprudence, respectively state theory (Michael Walter Hebeisen: Souveränität in Frage gstellt – Die Souveränitätslehren von Hans Kelsen, Carl Schmitt und Hermann Heller im Vergleich, Baden-Baden: Nomos, 1995). In conclusion of our example of scientific-historical thought, we have set in prospect a sequel to these investigations, guided by the veritably speculative-philosophical concept of aesthetical judgment: “Ästhetik ist ein Konzept, allgemeinverbindliche Forderungen zu begründen innerhalb einer Ordnung, die auf sich allein verwiesen ist, sie ist die wissenschaftliche Methode, Verbindlichkeit mittels Anschauung zu begreifen und Unverbrüchlichkeit zu begründen in einem auf sich selbst verwiesenen System. Dass Ästhetik in zeitlicher Hinsicht zuerst auf die Kunst Anwendung fand, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Konzept universell anwendbar ist. Das Kunstschöne hat einach nur als erste der menschlichen Ordnungen definitiv den religiösen Kontext verlassen. Im Prozess der säkularisierung des Politischen erscheint die transzendentale Begründung der moralischen Ordnung wie derjenigen des Rechts so quasi als Zwischenlösung: Kategorische Begriffe werden einer ontologisch anderen Ebene angesiedelt, um die Gesellschaftsordnung als kollektives Handeln begreifen zu können, als zugleich säkular und doch wertorientiert. Unveräusserliches, unverbrückliche Werte können jedoch in letzter Konsequenz mittels der Ästhetik auch ordnungsimmanent begriffen werden, die Säkularisierung kann perfektioniert und die Aufklärung weitergeführt werden ohne Verlust verbindlicher Werte”.

Apparently, this prospective in aesthetical theory has inspired Peter Saladin to reflect and to argue for and against such a project, as later – after the tragical death of our academic teacher – has been elaborated in our habilitation thesis, entitled “Recht und Staat als Objektivationen des Geistes in der Geschichte – Eine Grundlegung von Jurisprudenz und Staatslehre als Geisteswissenschaften” (Biel/ Bienne: Schweizerischer Wissenschafts- und Universitätsverlag SWUV, 2004). Our perspective on aesthetic judgment, as expressed in political-philosophical introduction to this writing, has been adopted by Jörg Paul Müller (in an article written during his visit at the “Wissenschaftskolleg” in Berlin published in the journal “recht”, vol. 1999, Bern: Stämpfli).

Content, Abstracts/Conclusions, Insights, Evidence

In the collection of dialogical essays by Peter Saladin, written in the last months of his life, and published by his wife, we encounter a fairy tale world, where the unicorn becomes real. In the first of these creative examples of truly speculative legal philosophical thought, the author enters in dialogue with the unicorn about the subject of “beauty and law”. In the course of the arguments developed in this conversation, the author sketches a kind of an answer to the above-mentioned prospective of critical aesthetics, or rather critical judgment as a possible fundament for state theory and legal philosophy.

Peter Saladin is interested in experiencing and understanding the unicorn’s attitude towards beauty in law. The dialogue opens with a rhetorical question, asked by the unicorn: “Warum soll Wahrheit – was immer darunter zu verstehen ist – nicht schön sein? Ganz abgesehen davon, dass Wahrheit als Ziel einer normativen Wissenschaft – als welche sich Rechtswissenschaft wohl überwiegend begreift – sich nicht genügt. Gerechtigkeit und Klarheit verdienen als Ziele doch gewiss beigefügt, ja vorangestellt zu werden. Gerechtigkeit aber ist Harmonie, und Klarheit Licht, darum sind sie schön! Nun bestreite ich keineswegs, dass viele von Euch mit Eurer Wissenschaft Gerechtigkeit und Klarheit anstrebt und damit auch Schönheit. Aber Ihr macht Euch diesen Zusammenhang zu wenig bewusst! […] Dazu ist vieles zu sagen! Zunächst ein Hinweis auf das Wie, auf das Kleid, auf die Darstellung Eurer Wissenschaft! Die Suche nach dem Schönen sollte doch wohl schön erfolgen, auf einem schönen (wenn auch vielleicht steilen Weg), in einer schönen und hoffentlich zweckmässigen Ausrüstung; sonst wird solche Suche gewiss unglaubwürdig.” After some manifestations of wonderment, the unicorn proceeds as follows: “Wissenschaft, so hast Du gesprochen, sucht Wahrheit, nicht Schönheit. Ich habe gefragt, warum Wahrheit nicht schön sei, und habe hingewiesen auf die besondere Problematik einer Ausrichtung von Rechtswissenschaft auf Wahrheit. Aber in Deiner Aussage verbirgt sich ein allgemeineres und grundsätzlicheres Problem. Wozu dient Wissenschaft?” In the continuation, truth is referred to a true relation between representation and objective reality. This equivalence can only be estimated by aesthetic judgment, at the end. Beauty or aesthetics must not be reduced to the phenomenon of nature. After having addressed several positive problems of the application of aesthetical criteria to legal order, the somehow agree that the only possibility to speak about the artistic, not artificial quality of legal science is the language of arts… music and beauty: “Das Einhorn veränderte sich: über sein silbergraues Fell liefen plötzlich Farb-Wellen, alle Farben des Regenbogens, sie tanzten über den ganzen Körper und darüber hinweg, die Luft war erfüllt vom Schwingen der Farben, und das Einhorn schwebte in dieser Fülle einem glühenden Abendhimmel zu”.

The question remains: to what end does science or scientific research serve? To ask this question already implies to reject the possibility of science as an end to itself, as l’art pour l’art. And it signifies to search for another end among the ultimate cultural systems of religion, philosophy and – art. “Schönheit ist eine Weise, wie Wahrheit als Unverborgenheit west” (Martin Heidegger).

Selected Works of the Same Author

Peter Saladin: Grundrechte im Wandel – Die Rechtsprechung des Schweizeri­schen Bundesgerichts zu den Grundrechten in einer sich ändernden Umwelt. Bern: Stämpfli & Cie. AG, 3. ed. 1982; Idem: Kleinstaa­ten mit Zukunft? In: Die Kunst der Verfassungsreneuerung, Schriften zur Verfassungsreform 1968-1996, Basel/ Frankfurt am Main: Helbing & Lich­tenhahn, 1998, pp. 361 ss.; Idem: Unerfüllte Bundesverfassung? In: Hun­dert Jahre Bundesverfassung 1874-1984, Die Bundesverfassung gestern, heute, mor­gen (Zeitschrift für Schweizerisches Recht, N. S. vol. 93, vol. 3/ 4, pp. 307 ss.), Basel: Helbing & Lichtenhahn, 1974.